Irgendwann musste es ja einmal kommen, das Ende von Carlucci, sei es durch eine tödliche Kugel oder viel schlimmer, durch eine Kugel, die ihn so schwer verletzt, dass man ihn einigermaßen zusammenflickt und ihn nach Hause in den Ruhestand schickt, wo er dann jämmerlich verkümmert. Die entscheidenden Geschosse strecken ihn in Konstanz am Bodensee nieder, nachzulesen in Carluccis sechster Episode "Tosca", wo er sich um das Schicksal eines weltberühmten Dirigenten kümmert, das ihn zu einer Gerichtsverhandlung außerdienstlich nach Deutschland führt. Dort passiert es dann, und dort gelingt es den Ärzten ihn soeben noch vor dem Jenseits zu bewahren.
Aber wie, monatelang wird um sein Leben gekämpft, erst in Konstanz, und als er transportfähig ist in Paris im besten Militärhospital, wo auch alle politischen Führer dieser Welt, die Frankreich nahestehen, die optimale medizinische Versorgung erhalten. Hier werden sie wieder auf die Beine gestellt, vom französischen Präsidenten bis hin zu den Potentaten Schwarzafrikas, wenn sie gesundheitlich straucheln. Der Palästinenser-Präsident Arafat hat hier seine letzten Tage verbracht, allerdings vergeblich. Es wird gemunkelt, dass er schon zu stark radioaktiv verseucht war, als man ihn dort einlieferte.
Carlucci hat es körperlich noch einmal geschafft, zumindest hat man ihm auch seine Pension zugestanden, trotz seiner privaten Auslandsaktionen, die ihn normalerweise der staatlichen Alterszuwendungen beraubt hätten. Nun hockt er da in der Rue Jacob in der Pension seines Bruders, tief deprimiert, ohne irgendein weiteres Lebensziel vor Augen. Über seine ach so geliebten Laster brauchen wir überhaupt nicht mehr zu reden, Martinis und Gitanes mais sind für den Rest seines kümmerlichen Daseins von der Suchtkarte gestrichen worden, ein für alle Mal, so die Krankenhausmediziner. Welch ein trostloser Ruhestand für den rastlosen Sizilianer?
Allein der Umstand, dass sein Sohn Jean-Baptiste, der ihm schon einmal bei den „Wilden Brigaden“ in Nizza als Kommandoführer zur Seite stand, und der jetzt Carluccis Posten als commissaire und Sonderermittler des Innenministeriums übernommen hat, hält den Alten noch einigermaßen in der Spur, da er hofft, ihm bei seiner zukünftigen schmutzigen Arbeit behilflich sein zu können.
Jean-Bapiste Carlucci, intern nur der Junior genannt, soll die erfolgreiche Arbeit seines Vaters fortführen. Dies hofft man seitens der Führungsspitze des Ministeriums, besonders von der Innenministerin, allerdings doch weitaus disziplinierter als der alte Carlucci es vermochte. Da wird sie sich noch wundern, die attraktive Dame, die für die innenpolitischen Geschicke Frankreichs verantwortlich ist. Der junge Carlucci verkörpert nämlich eine ganz besondere Mischung aus dem Genpool: heißblütiger sizilianischer Vater und bretonischer Dickschädel seitens der Mutter, eine ganz besondere Melange für einen taffen Polizeioffizier.
Nachdem man ihn offiziell in sein Amt eingeführt hatte, ohne großen Pathos, aber immerhin im Beisein seines alten Herren, was wiederum die Innendienstler zum Anlass nahmen, vom Carlucci-Clan zu sprechen, da der Junge nahtlos die früheren Kollegen des Alten in seiner Abteilung beließ, sollte der Neue sich erst einmal warmlaufen, als man ihm die Überprüfung eines amerikanischen Passes übertrug, der in einer Kaschemme gefunden wurde. Die dazugehörige Person konnte aber nirgendwo in Paris ausfindig gemacht werden. Dies ist ja beileibe in dieser Stadt mit Horden von amerikanischen Touristen nichts Außergewöhnliches. Dass der Pass aber in einer üblen Spelunke in einem noch übleren Stadtteil in den „banlieues“ von Paris aufgetaucht ist, Rückzugsort von maghrebinischen Straßen Gangs, wo kein öffentlicher Nahverkehr, keine Feuerwehr und keine ordentliche Polizeistreife sich hinwagt, lässt nichts Gutes erahnen.
Doch Carlucci Junior will und muss der Sache nachgehen. Dies ist er seinem Berufsethos schuldig. Hier beginnt auch ein Fall von ungeahnter Verschwörung, in die nicht nur muslimische Terroristen involviert sind, wo ebenfalls die verkommenen amerikanischen Geheimdienste ihre Finger ganz tief in der „merde“ mit drinnen haben und wo die Sicherheit ganz Frankreichs gefährdet ist. Jetzt zeigt Jean-Baptiste Carlucci was wirklich in ihm steckt. Natürlich kann der Alte da nicht stillsitzen. Vieles hat er ja mittlerweile verloren, seinen untrüglichen Instinkt und seine zahlreichen, außerordentlichen Connections jedoch nicht. So kommt es, wie es kommen muss, der Alte wirft sich ins Geschehen, der Junge hat alle Mühe zu zeigen, wer ab sofort das Sagen hat. Letztendlich gelingt ihm dieses souverän, obwohl er froh ist, bei diesem Bedrohungspotential, den besten commissaire den Frankreich in den letzten zwanzig Jahren aufbieten konnte, an seiner Seite zu wissen.
Monsieur Rainer, wie immer brillant, spannend und ganz großes Kino. Einmal wieder hieß die Devise nicht kleckern, sondern klotzen. Die recherchierenden Dorfpolizisten, kleinen Commissarios und Ermittler aus der Region oder Rechercheure aus Leidenschaft oder Selbstnutz überlassen Sie anderen Autoren. Bei Ihnen geht es immer um das Ganze, um ganz Frankreich, um ganz Europa, um die Hegemonialpolitik von ganz Amerika. Jetzt aber scheint es vorbei zu sein, falls Sie nicht doch noch ihre Ankündigung wahrmachen, uns zu erzählen, wie sich der alte Carlucci im Champagner ersäuft oder irgendetwas Ähnliches im Zuge der Verfolgung des Champagnerclans passiert. Basis Ihrer Krimis waren immer hochnotpeinliche Fälle für die französischen Kriminalisten. Die örtlichen Begebenheiten sind ein gefundenes Fressen für alle Leser die gerne auf den Spuren des vermeintlichen Verbrechens wandeln. Für mich persönlich ist das Eindringen in die französische Lebensart immer wieder ein Genuss, und davon haben Sie reichlich und sehr schmackhaft geliefert. Für den jetzigen Moment sage ich erst einmal „merci et au revoir, a bientot“. Ich bin überzeugt, wir werden bald wieder von Ihnen hören, denn ich bin ebenfalls überzeugt, Sie können es nicht lassen, auch zukünftig spannende Krimis und gute Romane zu schreiben.
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