Rezension: Monsieur Rainer- Commissaire Carlucci: Der Austernzüchter von Arcachon


Zum Ersten, zum Zweiten, zum Dritten, zum Vierten und zum Fünften. Carlucci und kein Ende sollte man meinen. Irgendwie müsste sich der üble Zyniker doch einmal abgenutzt oder vielleicht sogar totgesoffen haben. Vielleicht sind auch seine Knochen von seinen Gewalteinsätzen derart lädiert, dass es nicht mehr reicht seine Beretta, also seine großkalibrige Pistole hochzuhalten, um sich wirksam gegen das kriminelle Gesindel, dem er immer wieder nachstellt, wehren zu können.

Alles stimmt und stimmt doch nicht in dieser fünften Episode von COMMISSAIRE CARLUCCI. 

 Wie der Titel „Der Austernzüchter von Arcachon“ vielleicht suggeriert, könnte der Leser auf die Idee kommen, dass der "Commissaire"   tatsächlich seine Drohung wahrgemacht, seinen Abschied, mehr oder minder freiwillig, genommen hat, um in der malerischen Bucht von Arcachon im Südwesten Frankreichs am Atlantik den Austernzüchtern bei ihrer Arbeit zuzusehen und um täglich bei wohldosierter Menge an Martinis und „Gitanes mais“ über sein verpfuschtes Juristenleben nachzudenken.

 Er könnte im Zustand tiefer Reflektion, quasi auf Metaebene über die Gier und Verkommenheit der menschlichen Gesellschaft sein Polizistenleben Revue passieren lassen, um dann in der Hoffnung, dass irgendjemand sich für seine Weisheiten interessiert, noch alles  zu Papier zu  bringen.

Aber was wäre denn das für ein Carlucci?

 Jedenfalls keiner, der von dem Autor Monsieur Rainer geschrieben worden wäre. Seine Carluccis sind hart, unerbittlich, intelligent, unverwüstlich, nicht korrupt, desillusioniert und nicht allzu sentimental, es sei denn, dieser lauscht während der Proben den großen italienischen Opern.

Tatsächlich wird der wahre Carlucci, er ist jetzt unabhängiger Sonderermittler des Innenministeriums, von "Monsieur le ministre", dem er direkt unterstellt ist, zu Genesungszwecken, bei seinem letzten Einsatz hat es ihn arg zerrupft (siehe im Band 4: Der Sizilianer) nach Arcachon geschickt. Dort wartet ein 5Sterne Hotel auf ihn, mit einem entsprechenden "Spa", so recht geeignet um verwöhnt zu werden. Eigentlich wollte Carlucci einen ausgiebigen Urlaub in der Normandie machen, um nach einem alten Bauernhof für seinen Ruhestand zu suchen. Ausschlaggebend für seine Reise nach Arcachon war die Tatsache, dass der gesamte Aufenthalt dort unten zu Lasten der Staatskasse erfolgen sollte. Da konnte das Häuschen im Calvados warten.

Nebenbei, so hatte der Minister gesagt, soll er doch einmal überprüfen, warum die Bevölkerung nach einem Mord an einem Austernzüchter so aufgebracht ist.  Gut, die Gendarmerie aus Bordeaux konnte den Täter nicht ermitteln. Zudem wurde den Züchtern seitens der Präfektur auch noch der Handel mit den Schalentieren untersagt, weil sie laut dubioser Tests angeblich nicht mehr zum Verzehr geeignet sind. Dies bedeutet ein wirtschaftliches Desaster für die Menschen in der Region. Die meisten Familien leben von der Austernzucht.

Der Innenminister sieht sich genötigt seinen erfahrensten Sonderermittler vor Ort zu entsenden, denn Austern aus Arcachon stehen Trüffeln, Käse, Cognac und fois gras in nichts nach. Alle diese Köstlichkeiten sind dem Franzosen heilig. Sich daran zu vergehen ist ein unverzeihliches Sakrileg. So etwas kann die Chancen zu Höherem für einen Politiker komplett zunichte machen. 

 In seiner gewohnten unprätentiösen Art wird Commissaire Carlucci den Tod des Austernzüchters untersuchen. Dazu muss er erst das Vertrauen der Leute in Arcachon gewinnen, zumal die Ermittler aus Bordeaux alle Sympathien bei der Bevölkerung verspielt haben.

Nach akribischer Recherche wird Carlucci klar, dass hier überdimensionale Räder gedreht werden. In großem Stil wurden rund um die Bucht riesige Grundstücksmengen von einer anonymen Immobiliengesellschaft, die auf Curacao den holländischen Antillen registriert ist, aufgekauft. Der Mord an dem Vorsitzenden des Züchterverbandes sollte allein dazu dienen, weitere Anwohner der Bucht einzuschüchtern, um sie zum Verkauf zu bewegen.

Doch wer hat all dieses eingefädelt, wer hat seine dreckigen Finger im Spiel?

Woher kommen die vielen Milliarden, die notwendig waren, um all die Ländereien zusammen zu kaufen?

Carlucci wird es herausfinden und wenn dabei der Rest seines malträtierten Körpers draufgeht.

Monsieur Rainer hat hier ein ganz heißes Eisen angepackt. An Hand dieses Kriminalromans will er aufzeigen, wie die Billionen vagabundierenden Geldes rund um den Globus immer wieder neue Anlagemöglichkeiten organisieren müssen. Kriminell erworbenes Geld sucht kriminell organisierte, lukrative Rendite, so heißt der Deal. Dass im Roman David, also Carlucci und seine Leute, den Goliath, sprich das internationale Großverbrechertum, im Gegensatz zur Realität besiegt, ist dem Gerechtigkeitssinn des Autors geschuldet. Der Leser sollte es Monsieur Rainer großzügig nachsehen. Im Gegenzug erhält er einen Roman voller in sich verwobener Strukturen deren Auflösung man spannend verfolgen kann. Der Handlungsrahmen bewegt sich wie immer europaweit, überall dorthin, wo die kriminellen Köpfe des Verbrechens sich festgefressen haben. Kurzum, wir haben es hier mit einem Kriminalroman der besonderen Güte zu tun, der wie immer auf tatsächlichen Verbrechen fußt.

Empfehlenswert.
     

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