Rezensionen: Monsieur Rainer- Commissaire Carlucci: Der Pate von Nizza

Der Ruf der Cote d` Azur ist arg ramponiert.  Nicht nur, dass die Preise sich ins Unverschämte gesteigert haben, ein "rouge" oder ein Bier kosten "pieds dans l`eau", also in den Bistros am Hafen oder mit Blick auf das Mittelmeer so viel, dass man andernorts in Frankreich, außer in Paris natürlich, sich für das gleiche Geld schon einmal in einen fröhlichen Zustand versetzen kann. Nein, damit haben sich die Bewohner der Cote, schicksalsergeben, aber murrend abgefunden. Ihr einziger Trost ist, dass  den Touristen noch viel übler eingeschenkt  wird, denn sie bekommen buchstäblich das Fell über die Ohren gezogen, wenn sie gaffend auf Promisuche, in Monte Carlo, Nizza, Cannes oder St. Tropez  den Reichen und Schönen auf die Pelle rücken wollen. Da macht die Urlaubskasse  nicht mit, und speziell die Deutschen aus dem Osten, in ihrem Bewusstsein der neu erlangten unendlichen Freiheit, verfluchen schnell die Entscheidung nicht doch lieber wieder an die Ostsee gefahren zu sein.

Dieses ist seit vielen Jahrzehnten der Normalzustand. Nicht normal ist jedoch, dass in den letzten Jahren die Kriminalitätsrate explodiert ist. Verbrecher und kleine  Gauner  gehören natürlich zu solchen "hot spots", dafür konzentriert sich einfach zu viel Geld an den südfranzösischen Gestaden des Mittelmeers.  Jetzt aber hat die korsische Mafia ihre Krakenarme  bis in die hintersten Amtsstuben von Polizei und Justiz ausgefahren, nachdem die Korruption auch schon die Eliten für sich vereinnahmt hatte, eine große Zahl an Richtern, Staatsanwälten und hohen Beamten stehen auf der  Gehaltsliste der Mafiosi  aus Korsika. Sie haben mit der Zeit die gesamte Palette der Kapitalverbrechen an sich gerissen, eine effektive Verfolgung seitens der Obrigkeit wurde dank dieser massiven  Zahlungen eingeschläfert, ein Akt der jedes Staatswesen in Kürze ruiniert.
Ganz Frankreich weiß mittlerweile um die  skandalöse Vorherrschaft des organisierten Verbrechens unter dem das Ferienparadies  der Begüterten aus aller Welt leidet, der Ruf verliert zusehends an Ansehen.
Dieses kann  die neue Innenministerin der Französischen Republik  nicht weiter dulden, sie will radikal mit diesen Missständen aufräumen, sie will die staatliche Handlungsfähigkeit wieder herstellen. Dazu hat sie unmittelbar nach ihrem Amtsantritt ein neues  Organisationskonzept vorgelegt, indem eine Sondereinheit, die "Wilden Brigaden" genannt, losgelöst von allen staatlichen Einflüssen, und nur der Ministerin direkt unterstellt, mit letzter Konsequenz aufräumen soll. Zu diesem Zweck werden aus ganz Frankreich nur die härtesten und zuverlässigsten Polizisten in diesen neuen Einheiten zusammengestellt.
Commissaire Carlucci  trifft es unvorbereitet. Er, der nach seinem tragischen Abgang von Paris in Antibes im dortigen Kommissariat, als Leiter  eher gewöhnlich die ruhige Kugel schiebt, nur gelegentlich muss er seine Knochen für Einsätze gegen das bandenmäßige Verbrechen hinhalten, wird persönlich von der Innenministerin beauftragt, die Sektion der "Wilden Brigaden" an der Cote d`Azur  aufzubauen und zu leiten. Dabei hat er völlig freie Hand, sowohl was "manpower" aber auch was die finanzielle Ausstattung  anbetrifft.

 In Antibes-Sophia Antipolis richtet er sein Hauptquartier ein, ein ehemaliger Hotelkomplex, der zu einer Festung ausgebaut wurde, gesichert mit den modernsten Mitteln der Überwachung, technisch hochgerüstet, und bestückt  mit  dem neuesten Equipment, sowohl an Autos, als auch an Hubschraubern. Neben seinen besten Mitarbeitern aus dem Kommissariat von Antibes wirbt er Männer und Frauen aus ganz Frankreich an, denen er von früheren gemeinsamen Einsätzen uneingeschränkt vertraut, von denen er weiß, dass sie ihm bedingungslos  folgen. 

Ob dies auch weiterhin so sein wird, muss sich dann im Zuge der Ereignisse weisen. Sein Sohn, als Brigadeführer  der schnellen Eingreiftruppe ist ebenso an Bord, wie seine Tochter, die als Sonderstaatsanwältin die Einheit ergänzt. Alles ist bestens organisiert, jetzt können sie losschlagen.  Zudem ist Carlucci klar, dass sein Feind übermächtig ist, denn er vermutet einen Schutzpatron, einen Paten,  ohne den eine solche Machtfülle durch die korsische Mafia nicht zustande kommen konnte. Dieser Pate hat alle Möglichkeiten  am Kopf der französischen Politik zu agieren, vermutlich sogar mit unmittelbarem Einfluss auf die französische Staatsführung, wahrlich ein Kampf David gegen Goliath, nur mit dem Unterschied, dass in der Historie sich die beiden Duellanten sichtbar gegenüber standen. Carlucci weiß aber mitnichten, wo die Hydra sich verbirgt, der er den Kopf abschlagen soll.

Commissaire Carlucci, der Pate von Nizza, eine weitere Episode aus der Krimireihe von Monsieur Rainer. Alles scheint zu laufen wie gehabt, unbestechlicher, trunksüchtiger  Cop mit sizilianischem Familiensinn, dem irgendwie das Mafia Gen fehlt, dem die Freundschaft über alles geht, und doch zeigen sich Risse im Konstrukt. Die vermeintliche Einheit von Carlucci und seiner Truppe zeigt Auflösungserscheinungen, bisher unvorstellbar, aber ein verändertes Momentum, das der Geschichte guttut, das das Konzept des Autors in eine andere Richtung zu lenken scheint. 

Was haben wir da noch zu erwarten, lieber Monsieur Rainer, vielleicht einen Wandel im Charakter des "commissaire", vielleicht eine dunkle Seite, die bisher nicht zur Sprache kam? "On vera", sagt der Franzose, man wird sehen. Natürlich auch hier wieder als Vorlage eine Kriminalgeschichte , die im Original zu den spektakulärsten der französischen Nachkriegszeit gehört, als fiktiver Kriminalroman spannend und mitreißend, aber auch sehr authentisch, bezüglich der "locations", wie es auf neudeutsch heißt , in Szene gesetzt. Monsieur Rainer braucht den Vergleich mit anderen Krimigrößen wie Donna Leon oder auch Martin Walker wirklich nicht zu scheuen, ganz im Gegenteil, er spielt in einer Liga mit diesen Bestsellerautoren. Sein Carlucci ist wohl der komplexeste aller Kommissare, seine Kriminalgeschichten haben nachweislich ganz Frankreich erschüttert, und der Spannungsbogen, den der Schriftsteller  gespannt hat, zeigt nachhaltige Wirkung beim Leser, mit einem nicht zu unterschätzenden, langanhaltenden  Suchtpotential.

Empfehlenswert.

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