Rezension: Der Tote im Zwillbrocker Venn


Tuna von Blumenstein, eine jung gebliebene ältere Dame aus dem Münsterland, hat sich entschlossen, einen Krimi zu schreiben.

Der Grund hierfür ist ihre Liebe zum "Zwillbrocker Venn", einem Naturschutzgebiet im Kreis Borken, das einst ein Hochmoor war. Hochmoore sind die ideale Kulisse für Texte dieses Genres und erzeugen per se Gruseleffekte.

Im "Zwillbrocker Venn", das die nördlichste Flamingokolonie der Welt beherbergt, gibt es u.a. eine Allee mit bizarren hohlen Kopfeichen, auch einen Prozessionsweg, der dort eine alte Barockkirche umgibt und ein riesiges Holzkreuz, das auf dem Buchdeckel des Krimis abgelichtet ist. Das Kreuz soll ein magischer Anziehungspunkt im Venn sein und erinnert mich in gewisser Weise an Droste von Hülshoffs Judenbuche.

Wer hier einen Toten findet, ahnt, dass dieser Tote eher ein Täter als ein Opfer ist.

In welchem Zusammenhang steht die in Blut getauchte Natur auf dem Buchdeckel mit dem idyllischen Foto eines liebevoll dekorierten hölzernen Gartentores?

Welches Drama breitet die Autorin in ihrem dicht geschriebenen Krimi aus, der sich teilweise so schnörkellos wie ein Polizeibericht liest und von lyrischen Texten Sylvia Bs. begleitet wird?

Ich war es übrigens, die Tuna darum gebeten hat, Gedichte von Sylvia in ihren Krimi einzubinden, einerseits, weil ich diesen Mix für ein gelungenes Experiment halte, andererseits, um die Bandbreite des Könnens von münsterländer Autoren aufzuzeigen. Kritiker mögen diese Vorgehensweise in Frage stellen, ich aber finde Arbeit im Team sehr gut, wenn es darum geht, eine Sache voranzubringen. In diesem Fall geht es darum, das Münsterland auch als Reiseziel interessant zu machen.


Nun zum Krimi: Ein Mann argentinischer Herkunft wird im Venn tot aufgefunden. Wurde er ermordet oder hat er sich selbst getötet?

Tuna hat ein interessantes Verwirrspiel inszeniert. Ihr Krimi beginnt mit einer Intrige. Dass sie nahe an der holländischen Grenze auch die Drogenproblematik nicht außen vor lässt, zeigt, dass sie die Region, die sie fokussiert, mit all ihren Facetten, auch den dunkleren, thematisiert.

Diebstahl, Rauschgiftdelikte, Kindesmord und Mord bestimmen den Handlungsablauf, in dem es immer wieder pychologische Reflektionsebenen gibt und Tuna sich der Schwarz-Weiß-Malerei bewusst enthält, wenn es um das Opfer- oder das Täterprofil geht: "Mein Eindruck ist der, dass der Verstorbene als Kind zeitweise unter Kalzium-Mangel-Rachits gelitten hatte, die durch einen Vitamin-D-Mangel verursacht wird. Die Fehlstellung der Zehen kann durchaus auf das Tragen nicht geeigneten Schuhwerkes zurückzuführen sein..." ( S. 55).

Zwei Frauen spielen im Krimi, neben dem verstorbenen Argentinier mit dubiosem Vorleben, eine entscheidende Rolle. In welchem Zusammenhang sie zu ihm standen, werde ich nicht verraten.

Es gibt Menschen, die, bevor sie ein Buch zu lesen beginnen, einen Blick auf die letzte Seite werfen. Tuna lässt ihren Krimi mit einem Gedicht enden. Die letzten beiden Verse lauten:

es wird der moment kommen
in dem ich spüre
da ist nichts mehr
weder liebe
noch hass
weder angst
noch kälte

wärme wird
meinen körper durchfluten
dann werde ich ruhig
und gefasst sein
und wissen
dass ich abschied
nehmen
kann.

Diese Zeilen sind der Schlüssel zu diesem Beziehungs-Krimi, der von einem Mann handelt, von dem man sich wünscht, er habe nie gelebt.

Sehr spannend zu lesen, empfehlenswert.

Das Bildmaterial wurde uns freundlicherweise von der Biologischen Station Zwillbrock zur Verfügung gestellt. Wir bedanken uns dafür herzlich.
Covergestaltung:
Satzstudio Roth, Emden



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1 Kommentar:

  1. Hallo,

    ich persönlich finde das sehr interssant, denn ich selbst stamme aus dem Zwillbrocker Venn. Das jemand ein Buch mit meiner Heimat als Kulisse schreibt finde ich sehr faszinierend und ich werde mir das Buch auf jeden Fall ansehen, denn einen guten Krimi kann man ja eh immer gebrauchen ;)

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