Die Bestsellerautorin Ingrid Noll wird am 29. September 90 Jahre alt. Sie hat in diesem Jahr erneut einen Kriminalroman geschrieben. Wie all ihre Krimis ist er hintergründig und subtil verfasst. Ihn zu lesen, -das schon mal vorweg- ist ein Vergnügen für alle, die neugierig auf die Welt hinter dem schönen Schein sind.
Worum es geht?
Luisa, die Protagonistin, ist ein 15 jähriges sehr intelligentes, aus Peru stammendes Mädchen, das als Baby von begüterten deutschen Eltern adoptiert wurde und seither von ihnen erzogen wird. Sie ist brav, fleißig, aufgeweckt, kein Problemkind also und insofern der Augenstern ihrer ErzieherInnen.
Ihre MitschülerInnen meiden sie, weil sie Klassenbeste ist, schreiben aber gerne bei ihr ab, was sie großzügig erlaubt. Luisa ist keine Streberin, sondern hat einfach nur eine überdurchschnittlich gute Auffassungsgabe. Mit ihren Fähigkeiten anzugeben, liegt ihr nicht.
Das gilt auch für ihre besondere Gabe, die darin begründet liegt, dass sie im Dunkeln sehen kann.
Nachdem ihre Eltern von ihrer ungewöhnlichen Fähigkeit Kenntnis bekommen, erlauben sie Luisa im Dunkeln Tiere im nahegelegenen Wald zu beobachten, nicht zuletzt, weil das Mädchen davon träumt, später einmal Zoologie zu studieren.
Während ihrer nächtlichen Exkurse trifft sie auf den jungen, verwahrlost gekleideten Tim, für den sie Mitgefühl entwickelt und ihm deshalb helfen möchte. Sie versorgt ihn zunächst mit Lebensmitteln, allerdings hinter dem Rücken ihrer Eltern, weil ihr klar ist, dass diese ihr "Samaritertum" nicht billigen würden. Auf diese unbeaufsichtigte Weise gerät sie in einen Abgrund von Lügen und kriminellen Straftaten…
Das Bemerkenswerte des Romans besteht darin, dass Ingrid Noll einerseits sehr gut aufzeigt, wie leicht, besonders junge, arglose Menschen, zu unbotmäßigem Verhalten verführt werden können, speziell wenn Verliebtheit im Spiel ist. Zudem leuchtet sie andererseits subtil das Wesen des kriminellen Obdachlosen aus, sodass in gewisser Weise auch liebenswerte Züge bei ihm sichtbar werden und man Luisas Verhalten durchaus nachvollziehen kann, zumal sie zwischenzeitlich davon träumt, Sozialarbeiterin zu werden und in Tim ihren erster Fall sieht.
Luisa befasst sich aufgrund ihrer Lebensumstände ab irgendeinem Zeitpunkt mit dem Begriff "Wahrheit", der durch das ehebrecherische Verhalten ihres Vaters bei ihr zur Disposition steht.
Wann ist es sinnvoll die Wahrheit zu verschweigen? Ist die Welt noch heil, wenn sie auf Lügen aufgebaut ist? Falls nicht: Besteht die Chance, dass sie wieder heil werden kann und wenn ja, wie?
Wie löst Ingrid Noll diese Problematik auf? Wer das Buch liest, erfährt dort die Antwort. An dieser Stelle wird sie nicht verraten:-))
Maximal empfehlenswert
Helga König
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